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Ingenieurkammer Niedersachsen

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Ingenieurrechts- und Sachverständigentag 2021

Klima, Ressourcen und Gefahrenabwehr: Ingenieurinnen und Ingenieure im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie

Ingenieurverantwortung, Baustoffmangel und Hochwasserschutz: Mit diesem spannenden Dreiklang beschäftigte sich der diesjährige Ingenieurrechts- und Sachverständigentag der Ingenieurkammer Niedersachsen am 12.Oktober 2021. Wie sieht das Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie aus, in welchem Ingenieurinnen und Ingenieure stehen? Diese Frage wurde anhand der Themenfelder beleuchtet.

Während Präsident Hans-Ullrich Kammeyer und Dr. Thomas Remmers sich der Fragestellung von berufspolitischer Seite näherten, beleuchtete Dr. Udo Söns das Thema rechtlicher Folgen des Baustoffmangels. Univ.-Professor a.D. Dr.-Ing. habil. Heinz Patt stellte den Hochwasserschutz in den Fokus. Im Studio führte der Hauptgeschäftsführer der Ingenieurkammer Niedersachsen RA Jens Leuckel zusammen mit Bettina Berthier, Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit der Ingenieurkammer Niedersachsen, durch die informative Online-Veranstaltung. Über 120 Teilnehmende verfolgten den Ingenieurrechts- und Sachverständigentag 2021 live am Bildschirm. Die über den Chat von den Teilnehmenden gestellten Fragen und Anregungen brachte die RAin Nadine Scholz, Sachgebiet Recht und Sachverständigenwesen der Ingenieurkammer Niedersachsen, im Anschluss an die einzelnen Themenkomplexe in die Diskussionen ein.

Präsident Hans-Ullrich Kammeyer eröffnete die Veranstaltung mit seinem Eingangsreferat zum Thema Qualitätssicherung und Verantwortung. Charakterisierend für die Freien Berufe sei ihre Unabhängigkeit in der beruflichen Ausübung. Daher stünden sie in einer besonderen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.

Angesichts der Vielzahl der Herausforderungen unterstrich Hans-Ullrich Kammeyer die Notwendigkeit, die Qualität der Ingenieurleistungen durch die Einhaltung der wichtigen Grundsätze verantwortlichen, kompetenten und unabhängigen Handelns, eng gekoppelt mit der Gewährleistung der Interessen des Wohls der Allgemeinheit und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sicherzustellen. Qualifizierte Ausbildung und Fortbildung sowie fundierte Erfahrungen seien essenziell für die Qualitätssicherung, für die sich die Ingenieurkammer Niedersachsen auf zahlreichen Ebenen einsetzt.

Damit Ingenieurinnen und Ingenieuren im Umgang mit technischen Entwicklungen und Produkten und ihrer individuellen Anwendbarkeit auch und insbesondere auf rechtlicher Basis Entscheidungen in eigenem Ermessen und im Sinne der Verantwortbarkeit treffen können, sieht er ebenso die Politik in der Pflicht, so Kammeyer die Forderung nach Berufsrechtsvorbehalten betonend.
Die Ingenieurkammer stehe dem Berufsstand in allen Fragen der Berufsausübung zur Seite, auch in Situationen, in denen Ingenieurinnen und Ingenieuren mit ihrer Expertise sachfremden Entscheidern an der Unternehmensspitze gegenüberstehen. Obwohl das Verantwortungsbewusstsein im Berufsstand bereits tief verankert sei, müsse dieses Bewusstsein kontinuierlich gestärkt und auch bei der politischen Umsetzung stärker berücksichtigt werden.

Qualitätssicherung und Verantwortung

Begrüßung | Eingangsreferat

Dipl.-Ing. Hans-Ullrich Kammeyer
Präsident der Ingenieurkammer Niedersachsen

Dr. Thomas Remmers, frisch gewählter Vizepräsident beim Bundesverband der Freien Berufe, nahm den Faden auf und konstatierte: „Ingenieurinnen und Ingenieure sind Freiberufler par excellence“, zunehmend zwischen Systemrelevanz und Nivellierungsdruck stehend, so der Fokus seines Vortrags. Die aktuellen Brennpunkte zeigten es: „Ob Klimaschutzziele, gleichwertige Lebensverhältnisse, bezahlbarer Wohnraum oder eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung. Ohne die planenden Freien Berufe geht nichts“, statuierte er. Zugleich seien die Freien Berufe verstärkt von Nivellierung bedroht. Hier sprach Dr. Remmers konkret die Relativierung der HOAI durch das EuGH-Urteil an. Vielmehr sei die HOAI ein wichtiges Instrument, um Kostentransparenz und Kalkulationssicherheit zu gewährleisten. Zu den erschwerenden Rahmenbedingungen der Berufsausübung von Ingenieurinnen und Ingenieuren zählte Dr. Remmers auch die Vergabe öffentlicher Aufträge. Diese müsse qualitätsorientiert gestaltet sein und dürfe kein Preisdumping befördern.

Die Nachfrage nach freiberuflichen Vertrauensdienstleistungen werde laut Dr. Remmers in Zukunft weiter steigen. Dennoch müsse sich der Berufsstand stark positionieren, um zukunftsfähig zu bleiben. Die auf Individualität beruhende, durch Vertrauen geprägte Arbeitsweise der Freien Berufe stehe einer zunehmenden Kommerzialisierung mit primär auf Profit fokussierenden Modellen gegenüber.

Der Vizepräsident der Freien Berufe appellierte an die teilweise widersprüchlich handelnde Politik, bei den großen Herausforderungen der Gesellschaft wie Energiewende, demografischem Wandel und Digitalisierung nicht allein auf staatliche Regulierung und die Großindustrie zu setzen. Für die Lösung der Zukunftsaufgaben stellten die Freien Berufe kompetente Partner dar, die nicht nur das nötige Vertrauen in der Gesellschaft innehaben, sondern mit ihrer Fachexpertise und mit agilen kreativen Einheiten neue Ideen und Lösungsansätze einbringen.

Die Freien Berufe: Zwischen
Systemrelevanz und Nivellierungsdruck

Dr. Thomas Remmers
Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Verwaltungsrecht
STOBBE Rechtsanwälte PartGmbB, Hannover
Präsident der Rechtsanwaltskammer Celle
1. Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer

Baustoffkrise – ein äußerst relevantes Schlagwort für die Branche, denn in der Praxis sieht sich der Berufsstand aktuell mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert. Lieferengpässe und Produktknappheit hieß es weiten Teils, auch in der Baubranche. Auf brennendes Interesse stieß daher der Vortrag Baustoffmangel – Risiken und Rechtsfolgen für Ingenieure und Architekten von Rechtsanwalt Dr. Udo Söns, der das Thematiefgreifend erläuterte. Hier beantwortete er unter anderem die Fragen: Wer trägt die Verantwortung für Verzögerungen bei der Bauausführung? Wer trägt das Beschaffungsrisiko und die Mehrkosten bei Materialpreissteigerungen? Und wie lassen sich Haftungsrisiken vermeiden?

Eine der wichtigsten Botschaften des Referenten bezüglich der Haftung des Planers für Verzögerung bei Lieferengpässen: Die Pflichten der Ingenieurin oder des Ingenieurs ergeben sich aus den Leistungspflichten, die im Vertrag festgeschrieben werden. Die vertragliche Vereinbarung über die Bauzeit sei nicht als Fertigstellungstermin zu verstehen, sondern als Zeitpunkt, an dem die Planung der Bauzeit auszurichten sei. Außerdem stehen Verzögerungen, die aus Materiallieferung entstehen, nicht in der Verantwortung der Ingenieurin oder des Ingenieurs.

Der Werkunternehmer trage das Herstellungsrisiko – und zwar verschuldensunabhängig. Er könne sich also nicht auf fehlendes Verschulden berufen. Der Werkunternehmer sei verpflichtet, das Material zu beschaffen, auch zu höheren Preisen. Zur Risikoabsicherung sei es daher wichtig, das Material vorher bzw. während der Vertragsschließung einzukaufen oder eine rechtzeitige Preisbindung bei seinen Lieferanten sicherzustellen. Auch flexible Preisklauseln können hier sinnvoll sein.

Der Fachanwalt betonte explizit, dass die Corona-Pandemie nur begrenzten Einfluss auf die Thematik habe. Zwar sei die Pandemie als höhere Gewalt einzustufen, jedoch sind nur selten Ausnahmen vom Herstellungsrisiko zulässig. Denn in den meisten Fällen sei nicht klar, ob die Lieferengpässe tatsächlich als eine direkte Folge der höheren Gewalt einzustufen sind. Doch es gibt Hilfestellungen. So erläuterte Dr. Söns, dass sich zahlreiche Risiken durch eine optimale Vertragsgestaltung reduzieren lassen. So können Preisanpassungen bei Kostensteigerungen vereinbart werden. Bei größeren Verträgen mache eine Stoffpreisgleitklausel Sinn, welche festlege, wie sich der Preis bei verändernden Stoffpreisen neu bilde, riet er den Teilnehmenden.

Baustoffmangel – Risiken und Rechtsfolgen
für Ingenieure und Architekten

Rechtsanwalt Dr. Udo Söns
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
REDEKER SELLNER DAHS Rechtsanwälte
Berlin · Bonn · Brüssel · Leipzig · London · München

Auch drei Monate nach dem Unglück an der Ahr ist die Thematik Hochwasserschutz – Arbeit ohne Ende?, mit der sich Univ. Professor a. D. Dr.-Ing. habil. Heinz Patt beschäftigte, von besonderer Bedeutung. Schwankungen zwischen Niedrig- und Hochwasser seien zunächst etwas Natürliches und wichtig für den Wasserkreislauf und die Ökologie. Wenn durch starke Hochwasserphänomene Schäden entstehen oder Menschen gefährdet werden, ist der Hochwasserschutz gefragt. Hier können fachliche Entscheidungen, die auf der Grundlage von Bemessungen und statistischen Berechnungen basieren, politischen Entscheidungen gegenüberstehen. Im Akutfall sei ein Konsens zwischen den Entscheidungsträgern von immenser Bedeutung. Als maßgebliche Komponente beim Hochwassermanagement diagnostizierte er Erfahrungen aus vorhergehenden Ereignissen und gleich in mehrfacher Hinsicht den Faktor Zeit: Vorhersage- und Vorwarnzeit im Rahmen der Alarmierung der Bevölkerung, Aktivierungs- und Reaktionszeiten zum Aufbau von Schutzeinrichtungen sowie die Hochwasserdauer.

Der Herausgeber diverser Fachbücher stellte unterschiedliche bauliche Schutzmaßnahmen und die jeweiligen Auswirkungen vor. Diese weisen unter anderem in Hinblick auf die Vorwarnzeit und auf die Lage zur Schutzstrecke unterschiedliche Charakteristika auf. Die jeweiligen Vor- und Nachteile sind mit Wechselwirkungen verbunden, die es situativ abzuwägen gelte.

Der Experte ermöglichte darüber hinaus Einblicke in das Risikomanagement und erklärte die einzelnen Bestandteile einer Hochwasserschutzstrategie aus Hochwasservorsorge, Hochwasserflächenmanagement und technischem Hochwasserschutz. Er betonte, dass in Anbetracht des Klimawandels technische Maßnahmen zum baulichen Hochwasserschutz basierend auf wachsenden Erkenntnissen heute und in der Zukunft unumgänglich seien. Prävention sei darüber hinaus auch durch Verhaltensvorsorge und Umdenken möglich, Risiken ließen sich durch angepasstes Bauen minimieren, indem Baugrund nicht in Überschwemmungsgebieten ausgewiesen würde, Gewässerquerschnitte vergrößert werden und insbesondere auch der Naturgestaltung von Gewässern wieder Raum gegeben würde, beispielsweise durch das Freihalten von Auen.

Hochwasserschutz – Arbeit ohne Ende?

Univ.-Professor a.D. Dr.-Ing. habil. Heinz Patt
Sachverständigenbüro Prof. Patt & Partner, Bonn

Der digitale Ingenieurrechts- und Sachverständigentag erhielt zahlreiche positive Rückmeldungen. Wir freuen uns, dass der Mix aus berufspolitischen, rechtlichen und praxisbezogenen Themen viel Zuspruch fand und danken Ihnen und  allen Mitwirkenden für die Teilnahme.

Sprechen Sie uns gern an, wenn Sie Nachfragen haben.

Ansprechpartner/in

Bettina Berthier M.A.
Sachgebietsleitung
0511 39789-23
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