Ingenieurrechtstag 2023
MoPeG, HOAI und Risiken bei der Errichtung von Ladeinfrastruktur von Elektrofahrzeugen
Neben der Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, dessen Änderungen zum 1. Januar 2024 in Kraft treten, stand beim diesjährigen Ingenieurrechtstag 2023 am 8. November ebenso die Sachstandslage bei der HOAI-Novellierung im Fokus. Diese fand bekanntermaßen 2021 Eingang in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Zeit also nachzufragen, wie steht es nunmehr um die dringenden Anpassungen bei der Vergütung von Planungsleistungen. Die Antworten fielen durchaus positiv aus. Mit hoher Sorgfalt ist dem Themenfeld Ladeinfrastruktur von Elektrofahrzeugen zu begegnen. Viele Fragen tauchen auf, wenn es um Planungsvorgaben und vor allem mögliche Risiken für die Planenden in diesem Konext geht. Auch hier versuchte die Veranstaltung, Antworten zu finden.
Der Ingenieurrechtstag im Video:
Eröffnung und Begrüßung
Präsident Martin Betzler begrüßte am 8. November 2023 über 150 Teilnehmende im HCC Hannover Congress Centrum zum Ingenieurrechtstag der Ingenieurkammer Niedersachsen, im Gepäck ein spannendes und umfangreiches Programm, das mit der Einführung des MoPeG zum 1. Januar 2024 auch einen aktuellen Zwischenstand zur HOAI-Novellierung beinhaltete und mit dem Thema Ladeinfrastruktur sowohl wichtige gesetzliche Regelungen als auch die Risiken für Planende intensiv beleuchtete.
Das MoPeG kommt
Den Auftakt machte Rechtsanwalt Dr. Sebastian Jördening von der Kanzlei Appelhagen in Braunschweig mit seinem Vortrag Das MoPeG kommt. Zum 01.01.2024 tritt das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) in Kraft. Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber das Personengesellschaftsrecht umfassend überarbeitet. „Ein Zusammenschluss zu Personengesellschaften wird künftig attraktiver“, so der Rechtsexperte. Die starre Trennung von Freien Berufen und kaufmännischen Berufen wird aufgehoben, sodass es künftig einfacher möglich sein wird, interdisziplinär mit verschiedenen Berufsgruppen zusammenzuarbeiten.
Ein besonderes Augenmerk legte Dr. Jördening auf die Neuerungen für die eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Historisch betrachtet war die GbR nicht rechtsfähig und wurde lediglich zur Durchführung von Einzelgeschäften gegründet. In der Praxis sind jedoch viele GbRs auf eine längere Zeit ausgelegt. Mit dem MoPeG wird die Rechtsform GbR mit Rechtsfähigkeit ausgestattet. Konkret sieht das MoPeG vor, dass zukünftig ein Gesellschaftsregister geführt wird, in das sich eine GbR eintragen kann. Zuständig für die Eintragung sind die Amtsgerichte. Eine Pflicht zur Eintragung der GbR besteht jedoch nicht. Sie muss sich jedoch dann eintragen, wenn die GbR ein registriertes Recht erwerben möchte.
Auch andere Gesellschaftsformen sind von der Reform erfasst. Betroffen sind nicht nur Neugründungen, sondern auch bestehende Gesellschaften. Der Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht riet daher abschließend, dass auch GbRs, OHGs und KGs ihre Gesellschaftsverträge prüfen und ggf. anpassen. Zudem sollte abgewogen werden, ob es sich lohnt die Gesellschaftsform zu wechseln. So kann beispielsweise eine Entscheidung für eine eingetragene GbR ab dem 1. Januar 2024 Vorteile mit sich bringen.
Update: HOAI-Novellierung 202x
AHO-Vorstandsmitglied Marco Ilgeroth kam mit guter Botschaft nach Hannover, als er über den Arbeitsstand der HOAI-Novellierung berichtete. Er erinnerte an den bereits im Frühjahr 2021 begonnenen Novellierungsprozess der Kammern und Verbände, der dann unter der Federführung des AHO, der Bundesarchitektenkammer und der Bundesingenieurkammer nach der Bundestagswahl erste Früchte trug. Denn es war bereits ein großer berufspolitischer Erfolg für die Planenden, dass ihre Anliegen im Rahmen der Novellierung Eingang in die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung fanden. Der aktuelle Stand der Abstimmungen in den Gremien vom Oktober 2023 signalisiere, dass die „Big Points“ dabei Berücksichtigung gefunden hätten, berichtete Ilgeroth und betonte insbesondere, dass vor allem „die sehr intensive und geschlossene Zusammenarbeit der Kammern und Verbände aller Fachrichtungen“ zu dem jetzt positiven Zwischenfazit geführt hätte.
Ziele, darunter auch der dringend geforderter Hinweis auf Angemessenheit oder die Verständigung bei der fachlichen Weiterentwicklung der bestehenden Leistungsbilder und Entwicklung neuer Leistungsbilder. In Bezug auf die Modernisierung und Synchronisierung der Grund- und Besonderen Leistungen in den Leistungsbildern steht nachfolgend das vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragte Wirtschaftsgutachten aus, denn die Honoraranpassungen für Mehraufwendungen in Grundleistungen der Objekt- und Fachplanungen, für die örtliche Bauüberwachung bei IBW/VA, bei Objekten mit zu geringen anrechenbaren Kosten (Innenräume) oder bei Tafelwertüberschreitungen und bei Anwendung des Regelprozesses BIM sollen ebenso wie zusätzlich notwendige Erhöhungen der Honorartafeln – u. a. aus allgemeinen Kostenentwicklungen – durch das Wirtschaftsgutachten definiert werden. Das Ziel der Planerseite ist dann, die HOAI auch honorartechnisch in der zweiten Stufe des Novellierungsprozesses zu einem erfolgreichen Abschluss in dieser Legislaturperiode bis 2025 zu bringen.
Informationen AHO Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V. online unter www.aho.de
Planungsvorgaben und Risiken bei der Umsetzung der Ladeinfrastruktur von Elektrofahrzeugen – Laden und Parken
Prof. Joachim Berg erklärte, dass bereits beim unbedachten Laden von Elektroautos Brandgefahr besteht und sich Ingenieurinnen und Ingenieure dieser Tatsache beim Planen von Parkflächen insbesondere bei Tiefgaragen bewusst sein sollten. Denn er stellte dar, dass es immer wieder zu Feuerausbrüchen bei Ladevorgängen kommt. Die besondere Gefahr dabei: Die brennenden Batterien entwickeln extreme Temperaturen bis mehr als 3000 °C. „Ein Elektroauto können Sie nicht löschen“, sagte Berg den Gästen beim Ingenieurrechtstag. „Sie können es kühlen, aber nicht löschen“. Besonders heikel wird die Situation, wenn sich das in Flammen stehende Fahrzeug in einer Tiefgarage befindet.
Angesichts dieses Risikos warf Prof. Berg die Frage auf, warum es keine speziellen baurechtlichen Vorgaben für Garagen gibt, in denen E-Autos abgestellt werden. Berg führte aus, dass weder die Muster-Garagenverordnung M-GarVO noch die 16 landesrechtlichen Vorgaben für den Bau und den Betrieb von Garagen in Deutschland die Antriebsarten von Kraftfahrzeugen genauer in den Blick nehmen und diese unterscheiden. Da Fahrzeuge in einer Garage betrieben werden dürften und dazu beim E-Auto auch der Ladevorgang gehöre, dürfe das Fahrzeug dort an eine Ladeeinrichtung angeschlossen werden, folgerte der Professor. Und das ohne spezielle Brandschutzvorgaben.
Alle grundsätzlichen Gefahren steigern sich noch einmal durch das unbedachte Verhalten der Fahrzeugnutzer. So würden E-Autos laut Berg immer wieder mit sogenannten Notladekabeln an normale Haushalts-Steckdosen – also Schukosteckdosen – angeschlossen und so mit einer höheren Stromstärke als 10 Ampere belastet, für die sie maximal ausgelegt sind. Bei dieser Dauerbelastung kann sich an den Steckdosen Hitze und Feuer entwickeln. Der Einsatz von Verlängerungskabeln oder Kabeltrommeln erhöht das Risiko eines Brandes ebenfalls. „Das Laden eines Elektroautos an einer Steckdose ist nicht angezeigt“, riet Prof. Berg dringlich.
Neben dem Gefahrenpotenzial sensibilisierte der Experte die Ingenieurinnen und Ingenieure für weitere Brandschutzmaßnahmen. Unter anderem sollten laut Berg Ladeeinrichtungen in Tiefgaragen möglichst in der Nähe der Ein- und Ausfahrt installiert werden, da große Löschfahrzeuge in die Garagen nicht hineinfahren können. Es sollte weiterhin darauf geachtet werden, dass die Steckdosen nicht zum Laden von E-Autos genutzt werden und eine Brandbekämpfungsanlage installiert sein sollte, um ausbrechende Brände kontrollieren zu können. Und eine solche Sprinkleranlage müsste eigentlich auf dem Boden installiert sein, so Berg. Warum? „Die Batterie ist unter dem Auto, darum kommt man von oben nicht an sie heran.“
Risiken bei Bauvorhaben: Die Rollen und die Verantwortung der Baubeteiligten
Die Ausführungen regten die Gäste merklich zum Nachdenken an, wie an den Gesichtern abzulesen war. Und auch die beiden abschließenden Beiträge sollten dazu dienen, übliche Arbeitsabläufe einmal konkret zu durchdenken. Hon.-Prof. Dr.-Ing. Hans-Günther Schippke hatte die Ingenieurkammer für den Themenkomplex rund um Risiken bei Bauvorhaben und die Frage nach der Verantwortung der Akteure sensibilisiert. Die Ingenieurkammer beschloss daraufhin, dieses Thema beim Ingenieurrechtstag näher zu beleuchten. Schippke schilderte Gespräche aus seinem Ingenieurbüro, die sich ebenfalls um Fälle wie die Installation von Ladestationen für Elektroautos drehten. Über die Frage des Brandschutzes hinaus geht es dabei um weitreichende Fragen der Standsicherheit von Gebäuden. Das Fazit „Die Feuerwehren müssen sich darauf einstellen“, sei dabei ungenügend. „Man schiebt das Problem woanders hin“, sagte Schippke vor dem Publikum beim Ingenieurrechtstag. Doch damit hatte er sich nicht zufriedengeben wollen. Schließlich gebe es immer wieder Aufträge, bei denen Risiken nicht richtig abzuschätzen seien, oder unklar sei, wie die allgemein anerkannten Regeln der Technik im konkreten Einzelfall von einem Ingenieur anzuwenden seien. Dabei stelle sich stets die Frage, wer für solche Risiken die Verantwortung trage. Schippke selbst empfahl, auf jeden Fall eine Bedenkenanzeige zu verfassen.
Licht ins Dickicht, wie es mit der Verantwortung konkret aussieht, versuchte nachfolgend Prof. Hans Rudolf Sangenstedt von der Kanzlei Rechtsanwälte Dr. Caspers, Mock & Partner mbB zu bringen. Er stellte zunächst einmal grundsätzlich fest, dass der Beruf des Ingenieurs und der Ingenieurin „gefahrgeleitet“ ist. Und: „Wer sich aufs Neuland begibt, muss mit dem Risiko leben.“ Das sei notwendig, damit es bei der Planung und beim Bau einen Fortschritt gebe und Lösungen gefunden werden können. Der Fachanwalt führte aus, dass der Ingenieur oder die Ingenieurin, der durch seine Planung ein intellektuelles Werk produziere, in Bezug auf seine Leistung und seine Haftung in einer bestimmten Konstellation mit dem Bauherren und dem Bauunternehmer agiere. Der Ingenieur wolle dabei eine technisch richtige Leistung erbringen. Der Bauherr wolle, so Sangenstedt, eine richtige und möglichst kostengünstige Lösung erhalten. Und der Bauunternehmer wiederum wolle viel Material verbauen. Zentral sei dabei, dass der Ingenieur oder Architekt und der Bauunternehmer in einem gesamtschuldnerischen Leistungs- und Haftungsverhältnis stünden. Das heißt, es haftet nicht nur derjenige, der die Planung ausgeführt hat, und auch nicht nur derjenige, der den Bau umgesetzt hat. Dieses Prinzip hat nach Prof. Sangenstedt deutliche Vorteile. Es sei ein System, „das umständlich ist, aber zu höchsten Bauqualitäten geführt hat“. In der Praxis sei es so, dass in diesem System ein Baubeteiligter auf den anderen aufpasse.
Aber wie können Ingenieurinnen und Ingenieure sich nun präventiv vor Haftungsfällen schützen, wenn Planungen verlangt werden, deren Konsequenzen und Risiken nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht abzuschätzen sind? In diesem Fall riet der Rechtsanwalt entsprechend Vertragsbestandteile und Einlassungen zu formulieren: „Sie müssen aus den Vertragsunterlagen alles raustreichen, was Ihnen komisch vorkommt.“ Es ginge darum, dass der Ingenieur nach Fertigstellung eines Baus und Eintreten eines Schadens aufgrund einer Überschreitung der Planung sagen kann: „Der Ball lag nicht mehr in meinem Feld.“ Bauherren also müssen ein gewisses Bewusstsein für die Risiken ihrer Bauvorhaben erlangen.
Den spannenden Vorträgen schlossen sich ein intensiver Austausch an: Die Teilnehmenden vernetzten sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen und nutzten die Gelegenheit, ihre Fragen an die Referenten zu stellen. Wir danken unseren Referenten und Gästen für die Anregungen und regen Diskussionen.
Die Ingenieurkammer Niedersachsen greift die Thematiken in Form von Seminaren und weiterführenden Informationen auf.
Fotos: © Ingenieurkammer Niedersachsen
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